Landwirtschaft neu denken
In unseren Böden steckt einer der größten Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Es braucht ein Umdenken, um ihn zu nutzen.
Ich schreibe diesen Newsletter in einem Steinhaus in Katalonien. Es liegt auf einem Anwesen, das den Namen Sota la Quinta trägt. Seit rund fünf Jahren legen wir hier einen Waldgarten an. Dort bauen wir Mangold, Artischocken, Spargel, verschiedene Zwiebeln, ein paar Äpfel und Pfirsiche an jungen Bäumen, Beeren, Knollen und vieles, vieles mehr an. So ein Waldgarten ist ein so weit es geht geschlossenes System, das sich selber mit Nährstoffen versorgt und weitgehend auf mehrjährige Pflanzen setzt.
Dieser Garten hat mich Geduld gelehrt – und zu unserem Verhältnis zur Umwelt. In der industriellen Landwirtschaft ist das massiv gestört. Sie ist einer der größten Emittenten von Treibhausgasen, frisst Lebensraum für wilde Tiere und Pflanzen. Aber sie bietet laut IPCC auch einen der größten Hebel im Kampf gegen den Klimawandel und hat Potential, Biodiversität wiederherzustellen. Dafür müssen wir sie neu denken.
Um rauszufinden, wie das funktionieren kann, reise ich in diesem Jahr zu Anbauern in Europa, die mit wirklich nachhaltiger Landwirtschaft experimentieren – und Geld damit verdienen. Was daraus wird, kann ich sagen, wenn alles in trockenen Tüchern ist.
Die erste Station auf meiner Reise war die Farm La Junquera im Süden Spaniens, die von Yanniek Schoonhoven und Alfonso Chico de Guzmán betrieben wird. Sie ist seit 200 Jahren im Besitz der Familie Guzmán. Doch die Böden hier haben sich durch konventionelle Landwirtschaft zusehends verschlechtert. Yanniek und Alfonso wollen das ändern, wollen ihre 1.100 Hektar Land in einem besseren Zustand hinterlassen als sie sie vorgefunden haben. Ich habe mit Yanniek darüber gesprochen, wie das geht.
Yanniek, kannst Du mir sagen, was diesen Ort ausmacht?
Das Land hier ist so frei und weit. In vielen anderen Orten gibt es viele Zäune, viel “das ist mein und das ist dein”. Hier ist das nicht so. Und die Jahreszeiten sind wunderschön. Jetzt im Mai ist es wahnsinnig grün mit Wildblumen überall. Im Sommer wird alles gelb und trocken. Im Herbst kommt der Regen und die Stürme. Und im Winter schneit es. Jede Jahreszeit ist komplett anders.
Diese Ländereien werden seit mehr als 1,000 Jahren bewirtschaftete, weil es hier eine Quelle gibt. Sie liegen an der Handelsstraße von Murcia nach Granada. In den alten Tagen war hier eine Einkehr, wo die Menschen mit ihren Pferden und Kutschen Rast gemacht haben. Das macht es besonders. Aber es ist auch einer der wenigen Orte hier, der noch trinkbares Grundwasser hat. Die meisten anderen Quellen sind verschmutzt. Die Menschen müssen Wasser importieren.
Dabei ist das Klima hier sehr harsch.
Wir haben mediterranes Klima und wir sind in der spanischen Hochebene. Alles hier ist sehr extrem. Wir haben kalte Winter mit Schnee, heiße, extrem trockene Sommer, von September bis Mai Frost, also eine kurzen Anbauzeit. Und wir haben nur 350 Liter Regen pro Quadratmeter im Jahr, der hier schnell verdunstet. Unsere Böden sind zudem sehr steinig und kalkreich, mit wenig organischem Material.
Wie sah das Land hier aus, bevor ihr kamt?
Es gab nur Getreide hier, sehr konventionell bewirtschaftet. Es wurde nur genutzt, um Ressourcen zu extrahieren, nichts wurde dem Land zurückgegeben. Die fruchtbare Muttererde wurde immer weniger. So wollten wir nicht arbeiten. Wir stellen uns immer die Frage, wie man diesem Land und den Menschen, die nach uns kommen, etwas zurückgeben kann.
Wie macht ihr das genau?
Wir arbeiten mit Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. Das kann Unterschiedliches bedeuten, aber für uns heißt es, die Biodiversität, die Fruchtbarkeit des Bodens und das Wassermanagement zu verbessern. Gleichzeitig wollen wir hier Jobs schaffen und Menschen mit dem Wissen versorgen, dieses System am Leben zu erhalten.
Konkret bringen wir viel Kompost ein, wir haben Tiere in das System einbezogen, wir haben Land, dass mit Bodendeckern bepflanzt ist, wir haben an den Rändern der Felder Hecken gepflanzt, um ein Habitat zu schaffen. Wir sind auch sehr damit beschäftigt, die wilden Areale hier wieder aufzuforsten und haben bald 20.000 Bäume gepflanzt.
Wasser ist eine rare Ressource hier. Nicht nur, weil es nicht viel regnet, sondern wenn es regnet, kommt alles an einem Tag runter. Wasser fließt ab, weil das Land es nicht aufnehmen kann. Deshalb haben wir Teiche gegraben, Schwellen und Sedimentfallen angelegt, so hat das Wasser Zeit, in den Boden zu sickern. Zudem pflanzen wir unsere Bäume und unser Getreide so, dass sie Wasser besser über das Land verteilen und es sich nicht in einem Teil des Landes sammelt, der dann erodiert. So füllen wir die Grundwasserspeicher unter unserem Land wieder auf.
Werfen euch die Nachbarn vor, dass ihr ihnen das Wasser stehlen?
Die verstehen es nicht nicht. Sie glauben, dass wir Geld für Nutzloses verschwenden, aber das tun wir nicht. Das Wasser, dass sich auf ihrem Land abregnet, bleibt auch nicht dort. Es gibt wenige Bauern, die versuchen, Wasser aufzufangen und sicherzustellen, dass es auf ihrem Land bleibt.
Was ist der Unterschied zwischen regenerativer Landwirtschaft und Bioanbau?
Es gibt sehr gute Biobauern, aber das Label “Bio” bedeutet nicht, dass du dem Land zurückgeben, dass du den Boden fruchtbarer machen, die Biodiversität erhöhen musst. Du kannst nur keine Chemikalien nutzen. In seiner engsten Definition bedeutet Bioanbau nur, dass du konventionellen Input – etwa mineralischen Dünger – gegen organischen Input – etwa Gülle – eintauschst. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich dein Land verbessert. Einer unserer Nachbarn ist Biobauer, der Brokkoli anpflanzt. Er nutzt Plastikmulch. Für vier Ernten im Jahr arbeitet er das in den Boden ein. Der ist jetzt voll mit Mikroplastik. Das gilt als Bioanbau. Bio kann also auch bedeuten, dass man das Land verschlechtert. Regenerativ bedeutet, dass wir das Ökosystem, in dem wir arbeiten, verbessern wollen.
In der Gegend hier stehen viele Höfe leer, die Dörfer wirken verlasen. Auch die Häuser, in denen Sie jetzt wohnen und arbeiten waren bis vor wenigen Jahren Ruinen. Was bedeutet das?
Wir glauben, dass wir das Land nicht ändern können ohne auch Denkweisen zu ändern. Wir müssen mit den Menschen arbeiten, um sicherzustellen, dass jede Neuausrichtung wirklich nachhaltig ist. Das ist nicht der Fall, wenn alles zurückgedreht wird, wenn man aus irgendeinem Grund wegzieht. Und wenn die Menschen wieder hier leben, ist es ihnen wichtiger, in welchem Zustand das Land ist. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder durch kranke Landschaften laufen, die voller Pestizide sind.
Was sind eure größten Herausforderungen?
In der Theorie klingt alles gut, aber wir wissen nie, ob das auch hier funktioniert. Daher müssen wir viel experimentieren. Aber wir haben das Privileg, dass uns das Land gehört und der Getreideanbau profitabel ist, aber jede Umstellung kann ein grosses Risiko bedeuten. In diesem Jahr ist etwa unsere gesamte Mandelernte wegen der späten Fröste verloren gegangen.
Es gibt viele Menschen hier, die nicht an unsere Philosophie glauben. Es gibt etwa Leute, die denken, dass sie dir einen großen Gefallen tun, wenn sie Hecken in den Boden untergraben, die du sechs Monaten zuvor gepflanzt hast, weil es sauberer aussieht. Dabei sind sie ein wichtiger Lebensraum. Damit kämpfen wir ständig, weil wir Denkweisen von Menschen ändern müssen, die 60, 70 Jahre alt sind. Die ändern sich nicht so einfach.
Und wir müssen die Hoffnung hoch halten. Als Pioniere an der Front haben wir mit vielen Rückschlägen zu kämpfen, zum Beispiel sind bei der Wiederaufforstung anfangs viele Bäume eingegangen. Das ist nicht einfach.
Wegen des Klimawandels sind auch Regionen im Norden Europas immer stärker von Dürreperioden betroffen. Was können die von eurer Erfahrung mit dem harschen Klima hier lernen?
Ich glaube, es ist sehr wichtig über Wasserressourcen nachzudenken. Dass man sie jetzt hat, bedeutet nicht, dass sie immer da sind. Welche Arten baut man an? Bewässert man so viel wie möglich? Wir schauen uns genau an, was wir pflanzen, dass wir so wenig Wasser verbrauchen wie möglich, und dass wir so viel wie möglich auffangen. Das wird auch im Norden immer wichtiger.