Die Zeit hat gestern eine lange, lesenswerte Recherche über das verquere Weltbild von Springer-Chef Mathias Döpfner veröffentlicht. In internen Nachrichten offenbart er sich als Klima(wandelfolgen)leugner:
"Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen."
Diese Klimaleugnung zieht sich durch die Verlagsspitze. Auch der Herausgeber der Welt und ehemalige Spiegel-Chefredakteur, Stefan Aust, gehört dazu.
Im September 2022 habe ich ein Interview des Journalisten Philipp Mattheis mit dem Welt-Journalisten Axel Bojanowski gelesen, das ich bemerkenswert fand und das mir heute wieder in Erinnerung gekommen ist. Mattheis ist – wie ich – Absolvent der Deutschen Journalistenschule, ehemaliger China-Korrespondent der WirtschaftsWoche und Ostasien-Korrespondent des Stern. Auf seinem Substack schreibt er zu Bitcoin etc. – und hat Bojanowski zum Klimawandel interviewt. Bojanowski ist “Chefreporter Wissenschaft” beim Springer-Blatt Welt. Zu seinen Interviewpartner und -themen gehören etwa:
Der Klimatologe Hans von Storch. Mit ihm spricht Bojanowski über Entenhausen: “Im Gespräch mit WELT gewährt der Forscher Einblicke in das faszinierende Enten-Universum, seine großen Rätsel und überraschenden Implikationen für unsere Welt.”
Der Werbetexter, Wissenschaftsjournalist und Gentech-Lobbyist Ludger Weß, der zusammen mit dem ehemaligen Journalisten Erwin Jurtschitsch das Unternehmen 350ppm gegründet hat. Weß ist großer Kritiker der Grünen und der Biolandwirtschaft. Jurtschitsch ist nicht nur bei der Welt Gastautor, sondern auch auf dem neurechten Blog Die Achse des Guten. Dort schreibt er etwa: “Es ist an der Zeit, Widerstand zu leisten. Widerstand gegen die Zerstörung eines Industrielandes. […] Von Habeck bis zu Merkel haben sie nur eines im Sinn: alles, was das Land reich und wohlhabend gemacht hat, zu zerstören.” Weß und Jurtschitsch wollen Fischfutter aus Wasserstoff, Ammonium und CO2 herstellen und beklagen sich über zu viel Reglementierung in Deutschland.
Lennart Bengtsson, ehemaliger Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, der findet, man solle auch über die positiven Seiten des Klimawandels berichten: “Ich finde es schwer zu akzeptieren, dass ein wärmeres Klima in höheren Breitengraden negativ sein soll.” (Vielleicht sollte Bengtsson dieses Buch lesen.) Bojanowski hat Bengtsson schon 2014 für den Spiegel interviewt: zu Bengtssons Beitritt in den akademischen Beirat der Global Warming Policy Foundation (GWPF) – einer Klimaskeptiker-Lobbygruppe. “Carbon dioxide has been mercilessly demonized as ‘carbon pollution’, when in fact it is a benefit to the planet. Agricultural production has increased substantially and the Earth is greener today with the 400 ppm current levels of carbon dioxide than it was with preindustrial levels of about 280 ppm. And two or three times higher levels would be even better”, schrieb die GWPF etwa. Bengtsson ist aus der GWPF nach Kritik von Kolleg:innen nach einer Woche ausgetreten. Das wird im Welt Interview nicht erwähnt.
Doch das Interview auf Mattheis Blog BlingBling ist ein Lehrstück in Sachen Bullshit Priming, weil es in beinahe jedem Absatz unbelegte Behauptungen, Falschbehauptungen und Irreführungen von einem vermeintlichen Wissenschaftsjournalisten gibt. Eine kleine Auswahl:
Behauptung: Klimaleugnung sei vorbei
Bojanowski suggeriert zunächst, dass die Ära der Klimaleugung vorbei sei. Er sagt explizit, dass Klimawandel ein großes Problem sei, und dass die Leugner vor allem in den USA Erfolg hatten.
“In den Neunzigern haben Erdöl-Konzerne und andere eine Kampagne betrieben, um ihr Geschäftsmodell zu retten.”
Abgesehen davon, dass sich Erdölkonzerne schon in den 70ern über die Wissenschaft hinter dem Klimawandel bewusst waren, stimmt das. Das Geschäftsmodell hat nicht nur überlebt, sondern ist profitabel wie nie.
“Die wollten suggerieren, das Klimaproblem sei zu vernachlässigen.”
Das tun sie noch heute. Mattheis verlinkt im Interview einen Tweet von Alex Epstein. Dieser tut genau das: er suggeriert, dass Klimaproblem sei zu vernachlässigen – mit Finanzierung ebendieser Erdöl-Konzerne.
Behauptung: Trittbrettfahrer profitierten von Klimakrise
Der große Bogen des Interviews ist, dass Klimawandel vermeintlich als Kampf zwischen Gut und Böse ideologisiert wird.
“Bei der „Klima-Lobby“ gibt es viele Trittbrettfahrer, die von dem Thema profitieren und sich zum Kämpfer gegen das Böse stilisierten [sic]. Das ist ein Kennzeichnen [sic] der Klima-Debatte: Sie ist manichäisch, ein Kampf zwischen Licht und Finsternis, Gut und Böse.”
Im Interview konkretisiert Bojanowski nicht, wer diese Trittbrettfahrer sein sollen. Doch in einem Blog-Post nennt er ein Beispiel: das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Das hatte davor gewarnt, dass Waldbrände durch den Klimawandel wahrscheinlicher werden, weil Wetterbedingungen, die Waldbrand begünstigen, zunehmen.
Um das UNEP zu widerlegen, führt Bojanowski unter anderem Daten an, die 2010 enden. Danach nehmen Waldbrände gemessen an verbrannter Fläche seit Anfang des 20. Jahrhunderts stetig ab. Das ist nicht falsch. Das Problem ist nur, dass der Trend seit 2010 weltweit deutlich nach oben zeigt.
Zudem führt er eine Studie aus Japan an, die zu dem Schluss kommt, dass Waldbrand trotz Klimawandel zurück gehen wird. Das mag sein. Dafür kann es eine Reihe von Faktoren geben: Prävention und Bekämpfung, Zersiedelung, Konvertierung von Forst in Acker und Weideflächen – und natürlich Brände selbst, denn jeder niedergebrannte Hektar brennt in naher Zukunft nicht erneut.
Bojanowski konzentriert sich in seiner Kritik am UNEP auf Prävention: “Die [sic] UNEP aber fokussiert auf die reine Modellierung des Klimawandels, der vielerorts Waldbrandwetter, also das Risiko für Waldbrände, begünstigen könnte. Die abwegige Annahme der [sic] UNEP lautet, im Widerspruch zur Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte: Menschen würden nicht weiter versuchen, das Feuer-Risiko zu mindern.”
Die Behauptung, das UNEP würde annehmen, dass wir “nicht weiter versuchen, das Feuer-Risiko zu mindern” ist absurd: Der Bericht zielt genau darauf ab. Er gibt konkrete Handlungsempfehlungen, wie man das Feuerrisiko minimieren kann –Investition in Prävention etwa. Bojanowski wirft dem UNEP also vor, in einem Report, der mehr Prävention fordert, Prävention zu ignorieren.
Zudem führt Bojanowski eine Studie aus 2016 an, die besagt, dass Waldbrände bis dahin nicht zugenommen haben. Stefan Doerr, Professor für wildland fire science, hat diese Studie mitgeschrieben. In einem Artikel aus 2022 beschreibt er zufällig das Problem an Bojanowskis Argumentation und der von ihm zitierten japanischen Studie:
Prävention und Bekämpfung funktionieren nur bis zu einem gewissen Punkt. Ansonsten hätten wir 2022 etwa in Frankreich und Spanien wohl nicht die katastrophalste Waldbrand-Saison seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt. Irgendwann werden Feuer unlöschbar und es geht nur noch darum, sie ausbrennen zu lassen und Infrastruktur zu bewahren. (Hier in Katalonien sind die Stauseen leer und die Wälder staubtrocken. Ich frage mich wie hier Waldbrände bekämpft werden sollen.)
[UPDATE: Wie zu erwarten war, zeigt der Trend inzwischen deutlich nach oben. “The latest data on forest fires confirms what we’ve long feared: Forest fires are becoming more widespread, burning nearly twice as much tree cover today as they did 20 years ago”, schreibt das World Resources Institute.]
Beahuptung: Apokalyptiker gewönnen Journalistenpreise
Bojanowski gibt sich als rationale, unaufgeregte journalistische Stimme in einem aufgeheizten Diskurs:
“Man kann sich mit Klima-Apokalyptik politisch gut profilieren. Das gilt übrigens auch im Journalismus. Wer das Thema moralisch auflädt, bekommt automatisch Journalistenpreise.”
Ich saß in Juries für den Stern Preis. Wir hatten grundsätzlich sehr, sehr wenige Einreichungen, die sich mit Klimawandel auseinandergesetzt haben. Ich kann mich an zwei unter mindestens hundert erinnern. In den vergangenen zehn Jahren gab es einen Gewinner beim Stern Preis, dessen Arbeit sich in Teilen dezidiert mit Klimawandel auseinandergesetzt hat: Rezo mit seinem Video “Die Zerstörung der CDU”. Hat Rezo das Thema moralisch aufgeladen? Sicherlich. Bekommt man dafür “automatisch Journalistenpreise”? Sicher nicht.
Behauptung: Reiche Mäzene in der Klima-Lobby
Die folgenden Absätze sind der Grund, warum mir dieses Interview im Gedächtnis geblieben ist.
“Mittlerweile ist der Einfluss der Lobby der erneuerbaren Energien wesentlich größer, als es der Einfluss der Erdöl-Lobby jemals war.”
Huihui, gewagte Behauptung. Bojanowski nennt kein Beispiel, keinen Beleg. Und ich frage mich, woran macht man Einfluss fest? Es gibt nur Proxies, um ihn zu messen. Subventionen zum Beispiel. Die müssten mit steigendem Einfluss steigen. Aber das Bild in den jüngsten Daten, die ich finden konnte, ist schwindelregend gegenteilig: “Yet the continued imbalance remains staggering. In 2017, the costs of unpriced externalities and the direct subsidies for fossil fuels (USD 3.1 trillion) exceeded subsidies for renewable energy by a factor of 19.”
“Dahinter steckt mittlerweile viel mehr Geld, weil finanzstarke Mäzene aus den USA seit Jahren Einfluss nehmen, die gut vernetzt sind.”
Oho, Vorsicht, Vorsicht, das ist ein Tropus, den man vermeiden sollte, kann man ihn nicht solide belegen und die Menschen konkret benennen. Zum Beispiel könnte ich sagen: Die finanzstarken Mäzene Charles Koch und sein verstorbener Bruder David, die ihr Milliardenvermögen mit Öl, Gas, fossilem Dünger und ebenso fossilem Kunststoff gemacht haben, haben über Jahrzehnte Klimazweifel finanziert und durch ihre gute Vernetzung US-Politik konkret beeinflusst. Koch Industries, dem Charles Koch als Chairman und CEO vorsteht, ist das zweitgrößte Privatunternehmen der USA und hat 2021 einen geschätzten Erlös von 121 Milliarden US-Dollar erzielt. Das wäre konkret und kein Geraune.
In einem späteren Artikel für die Welt schreibt Bojanowski: “Allein auf einer Tagung 2018, dem „Climate Action Summit“ sagten 29 Stiftungen vier Milliarden US-Dollar zu, um per Lobbyismus den Übergang zu Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Solche Summen waren von der häufig zitierten Erdöl-Lobby mit Kampagnen für fossile Energien nie auch nur annähernd erreicht worden.” Wenn man Bojanowskis Rechnung ansetzt, vermutlich schon.
Die vier Milliarden, die Bojanowski zitiert, sind Investitionen in “climate change mitigation”, also der Verlangsamung des Klimawandels. Den Zeitraum, über den diese Summe fließen soll, vergisst Bojanowski: fünf Jahre. Bleiben also 800 Million pro Jahr. Aber will man die ansetzen, müsste man annehmen, dass die Stiftungen damit nur Lobbyarbeit betreiben wollen. Doch das zu behaupten ist waghalsig. Die IKEA Foundation, eine der 29 Stiftungen, fördert etwa regenerative Landwirtschaft, andere unterstützen Kommunen bei der Transition zu erneuerbaren Energien. Ist das Lobbyismus? Wie will man das mit der Lobbyarbeit der Fossilindustrie vergleichen?
Wenn man wirklich vergleichen will, braucht man vergleichbare Zahlen. Die liefert Bojanowski nicht. Zunächst sollte man definieren, was Lobbyismus ist. Darunter versteht man gemeinhin den Versuch, Politiker:innen konkret zu beeinflussen: durch Spenden an sie oder deren Parteien etwa. Genau dafür gibt es für die USA – wo auch die Stiftungen sitzen – leicht zu findende Zahlen. Sie zeigen das Gegenteil, von Bojanowskis Behauptung: 2022 hat die Fossilindustrie 124 Millionen für Lobbyarbeit locker gemacht. Die Lobby der Erneuerbaren 24 Millionen, also lediglich ein Fünftel – oder drei Millionen weniger als alleine Charles Koch für Parteispenden ausgegeben hat.
Doch selbst diese Zahl zeigt nicht das wirkliche Bild: fossile Energieträger sind so tief mit unserem Wirtschaftssystem verflochten, dass eine Erhöhung des Ölpreises und in Verlängerung des Spritpreises eine existenzielle Gefahr für Regierungen ist – man denke an die Spritpreisbremsen in Europa und den USA vergangenes Jahr. Trotz dieses Vorteils gibt die fossile Lobby in den USA fünf Mal so viel für politische Spenden aus.
“Die [Mäzene der Klimalobby] wollen die Erneuerbaren als Geschäftszweig aufbauen.”
Das ist korrekt. Ich bin nur überrascht von Kapitalismuskritik von einem Journalisten der Welt.
Behauptung: Die Klima-Lobby heize Klimawandel an ...
“Die Strategie geht nicht selten auf Kosten des Klimaschutzes, weil andere klimafreundliche Technologien wie Kernkraft als Konkurrenten bekämpft werden.”
Das mag so sein, aber wer kämpft außer Lobbyisten für erneuerbare Energien noch gegen Kernkraft? Richtig: Fossilunternehmen.
… und verbreite apokalyptische Fehlinformationen
“Diese Lobby hat zudem Interesse daran, dass Thema Klimawandel möglichst apokalyptisch erscheinen zu lassen.”
Da reicht ein Blick auf den Sommer 2022 mit seinen parallelen, global gestreuten Extremstwetterereignissen, um das apokalyptisch erscheinen zu lassen. Es gibt schon jetzt Regionen, die alleine auf Grund der gestiegenen Hitze unbewohnbar sind:
Behauptung: Apokalyptik führe zu mehr Publikationen
“Eine Modellierung, die zu besonders katastrophalen Ergebnissen kommt, hat eine höhere Publikationschance.”
Die bedeutendste Publikation, die Berichte des IPCC, tendiert in die gegenteilige Richtung: “A new study has revealed that the language used by the global climate change watchdog, the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), is overly conservative - and therefore the threats are much greater than the Panel's reports suggest.”
Die am zweitmeisten besprochene, getweetet, zitierte Studie aus 2022 ist tatsächlich düster. Sie warnt davor, dass viele Kippunkte im Klimasystem schon bei 1,5 Grad überschritten werden könnten. Ist es falsch, darüber zu berichten? Sollte man diese Szenarien, erarbeitet von einer Reihe anerkannter Wissenschaftler:innen, erschienen in einem der anerkanntesten Journals nicht besprechen? Es geht schließlich um nicht weniger als die Zukunft der Zivilisation. Bojanowski meint offenbar nein: In einem späteren Artikel für die Welt behauptet er, die Autor:innen der Studie hätten sich in den jüngsten IPCC-Bericht “getrickst”.
Behauptung: Vieles sei unsicher
“Sehr überzeugend aber ist bisher dargelegt worden, dass menschengemachte Treibhausgase die Erderwärmung beitragen. Das ist höchst wahrscheinlich bis sicher. Die Belege dafür sind sehr gut. Darauf aufbauend ist ziemlich sicher, dass das Eis schmilzt und der Meeresspiegel ansteigt. Was nun aber schon wieder nicht so sicher ist, wie groß der Anteil des Menschen an diesen Phänomenen ist.”
Fragen wir doch den US-Amerikanischen Klimatologen Gavin Schmidt. Schmidt leitet das Goddard Institute for Space Studies der NASA und ist einer der am häufigsten zitierten Geowissenschaftler:innen überhaupt: “The bottom line is that multiple studies indicate with very strong confidence that human activity is the dominant component in the warming of the last 50 to 60 years, and that our best estimates are that pretty much all of the rise is anthropogenic.” Schmidts Blog-Eintrag ist sehr technisch. IPCC-Autor Zeke Hausfather übersetzt es in einfache Sprache: “the IPCC’s implied best guess was that humans were responsible for around 110% of observed warming”.
Es gibt also einen breiten Konsens darüber, dass die beste Erklärung für die gesamte beobachteten Erwärmung seit 1851 menschliche Aktivitäten sind und sie – etwa durch den Ausstoß von Aerosolen – auch einen Teil der verantworteten Erwärmung maskieren. Viel sicherer geht Wissenschaft kaum.
Behauptung: Kein Trend für Dürren in Westeuropa
“In manchen Erdgegenden kommt es auch öfter zu Dürre. Ob das in Mitteleuropa auch so ist, ist unklar.”
Mitteleuropa ist ein schwammiger Begriff. Im Teil des IPCC-Berichtes, auf den Bojanowski sich im Folgenden bezieht, wird von “Western and Central Europe” gesprochen. Das IPCC projiziert im Kapitel zu Wasser bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad eine Zunahme von landwirtschaftlichen Dürren in Deutschland um 50 bis 150 Prozent. In seinem Blog-Post zur Dürre in Deutschland taucht das IPCC-Kapitel zu Wasser nicht auf.
Bojanowski nimmt als Beleg eine andere Stelle im IPCC-Bericht. Die besagt, dass das IPCC "low confidence" für steigende Dürrewahrscheinlichkeit in Western and Central Europe hat. Dazu schreibt Bojanowski in einem Blog-Beitrag: "Der UN-Klimarat IPCC gliedert Trends und Prognosen in unterschiedliche Dürrearten. Für keine kann der Klimarat für Mitteleuropa den Schluss ziehen, sie hätte sich verschärft oder würde sich verschärfen". Nur um dann in Klammern einzuschränken: “bei landwirtschaftlicher und ökologischer Dürre gibt es immerhin Indizien für eine Zunahme”.
Zur Verwendung des Begriffes "low confidence" schreibt Bojanowski: “Dabei bedeutet “Low Confidence”, dass die Indizienlage für eine These schlecht ist, oder/und dass sie unter Experten besonders umstritten ist”. Das ist korrekt. Allerdings sagt das IPCC auch: "Presentation of findings with “low” and “very low” confidence should be reserved for areas of major concern, and the reasons for their presentation should be carefully explained." Kurz gesagt: Die Tatsache, dass etwas mit "low confidence" überhaupt auftaucht, bedeutet, dass die Autoren große Sorge haben, aber sich noch einschränken, weil die Studienlage dünn und/oder die These umstritten ist.
Man könnte an Bojanowski ein ganzes Buch über moderne Klima(wandelfolgen)leugnung aufziehen: Er nennt Umweltaktivist:innen menschenfeindlich, wirft ihnen ohne Belege Finanzierung durch Russland vor, setzt sich für Fracking ein, spricht vom Klima-Bluff und behauptet in libertärer Manier, der “mächtigsten Strömung der Umweltbewegung ging es nie um Naturschutz, sondern um Kontrolle”. Im Blog Volksverpetzer steht mehr dazu.
Über dem Interview von Mattheis steht: “Journalist Axel Bojanowski will, dass wir besser über die Erderwärmung diskutieren”. Und später im Interview antwortet Bojanowski: “Mir geht es als Journalist darum, den Leuten zu vermitteln, was unterschiedliche Wissenschaftler sagen.” Beides wünsche ich mir auch. Beides passiert nicht. Bojanowski interviewt vor allem Wissenschaftler:innen, die den Klimawandel herunter spielen, die in vielen Fällen eindeutig politisch positioniert sind, seine Lösungsansätze sind mehr Wachstum, mehr Kapitalismus und weniger Regulierung. Wissenschaftler:innen und Umweltschützer:innen, die diese Positionen nicht vertreten sind “Trickser”, “Apokalyptiker” oder “Menschenfeinde”. Hinter den Erneuerbaren stecken in dieser Erzählung die Wirtschaftsinteressen einflussreicher, finanzstarker “Mäzene”, während sie im Fall der Fossilindustrie als ein Phänomen der Vergangenheit beschrieben werden. Das soll eine bessere Diskussion über die Erderwärmung sein?
Ich habe bisher nicht geglaubt, dass Bojanowski Anweisungen von oben bekommt, diese Klima(wandelfolgen)leugnung zu betreiben. Ich dachte, das funktioniert subtiler: Man heuert an, wer die eigene Linie vertritt. Daran ist so lange nichts auszusetzen, so lange diese Linie nicht in Wissenschaftsfeindlichkeit umschwingt, so lange Redakteur:innen ernsthafte Wissenschaftler:innen nicht als Trickser verleugnen, so lange sie nicht in Geraune über ungenannte Mäzene abdriftet, so lange man bei Interviewpartner:innen nicht offensichtliche Interessenskonflikte verschweigt.
Aber scheinbar war es nicht so subtil, wie ich dachte, sondern sehr explizit. Döpfner schreibt intern, was Bojanowski nach außen vertritt: "Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen." Klingt sehr wie das Zitat der Global Warming Policy Foundation.
P.S. Ich habe Bojanowskis Artikel, Blog-Posts und Tweets sowie Die Achse des Guten bewusst nicht verlinkt. Bojanowski hat mich auf Twitter blockiert, nachdem ich ihn auf Mattheis Blog kritisiert habe.
P.P.S. Ich habe den Abschnitt über die so genannte Lobby der Erneuerbaren ergänzt. Es hat mich einen Euro für ein Probabo der Welt gekostet.